Litill

 

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 Litill, Tritill und die Vögel

Es waren einmal ein König und eine Königin in ihrem Reiche und ein alter Mann und ein altes Weib in ihrer schlechten Hütte. Der König hatte eine einzige Tochter, welche er über alles liebte; es sollte ihm nun aber der Kummer widerfahren, dass dieselbe verschwand und nirgends zu finden war, so eifrig man auch nach ihr suchte. Da machte der König das Gelübde, dass derjenige sie zum Weibe erhalten solle, welcher sie finden und ihm zuführen würde. Aber obgleich sich gar viele Mühe gaben, um eine so gute Partie zu machen, so wurde doch die Königstochter nicht gefunden und alle, welche ausgegangen waren, sie zu suchen, kamen unverrichteter Dinge wieder zurück.

Von dem alten Manne ist zu melden, dass er drei Söhne hatte; die beiden ältesten liebte er über alle Maßen, der jüngste aber ward sowohl von den Eltern als auch von den Brüdern zurückgesetzt. Als sie aufgewachsen waren, die Söhne des alten Mannes, sagte einmal der älteste Bruder, dass er nun in die Welt gehen wolle, um sich Vermögen und Ruhm zu erwerben.Die Eltern gaben ihre Einwilligung dazu, und so zog er denn alsbald mit Reisekost und neuen Schuhen von dannen und ging nun lange, lange. Endlich kam er zu einem Hügel. Er setzte sich hier nieder, um auszuruhen, holte seine Reisekost hervor und begann zu essen.

Kommt da ein winzig kleines Männchen zu ihm und bittet ihn, er möge ihm einen Bissen geben. Der Sohn des Häuslers verweigerte es ihm aber, jagte ihn davon und ließ ihn so von dannen gehen.

Hierauf geht er wieder lange, lange des Weges fort, bis er zu einem zweiten Hügel kommt. Hier setzt er sich abermals nieder und beginnt zu essen. Während er damit beschäftigt ist, kommt ein überaus kleines und putziges altes Männchen zu ihm, welches ihn bittet, er möge ihm einen Bissen geben. Der Sohn des Häuslers schlägt ihm jedoch die Bitte ab und jagt ihn unter Schimpfworten davon.

Hierauf ging er abermals lange, lange des Weges fort, bis er zu einem offenen Platze im Walde kam. Hier setzte er sich nieder, um zu essen. Während er hier saß, kam eine Schar Vögel herbeigeflogen, welche sich in seiner Nähe niederließ. Er ärgerte sich über die Vögel und jagte sie davon.

Der Häuslerssohn setzt nun abermals seinen Weg fort und geht so lange bis er zu einer großen Höhle kommt. Er tritt in die Höhle ein, gewahrt darin aber kein lebendes Geschöpf. Er beschließt zu warten, bis der Bewohner dieser Höhle komme. Gegen Abend kommt ein schrecklich großes Riesenweib in die Höhle. Er bittet sie um die Erlaubnis, hier bleiben zu dürfen. Sie gestattet ihm dies unter der Bedingung, dass er ihr am nächsten Tage die Arbeit verrichte, die sie von ihm verlangen werde. Er ist damit einverstanden und bleibt nun über Nacht in der Höhle. Des Morgens befiehlt ihm die Riesin, den Mist aus der Höhle zu schaufeln und damit bis zum Abend fertig zu sein; denn sonst würde sie ihm das Leben nehmen, sagte sie. Hierauf ging sie fort.

Der Sohn des Häuslers nahm die Schaufel, um den Boden zu reinigen; sowie er aber damit niederstach, blieb dieselbe im Boden stecken, so dass er sie nicht mehr von der Stelle bringen konnte. Des Abends, als die Riesin heim kam, war die Höhle, wie man sich leicht denken kann, nicht gereinigt. Sie bedachte sich da nicht lange, sondern nahm den Sohn des Häuslers und erschlug ihn, und derselbe kommt in der Geschichte nicht weiter vor.

Nun wendet sich die Geschichte wieder zurück in die schlechte Hütte zu dem alten Manne und seinem alten Weibe. Der mittlere Sohn bat ebenfalls um die Erlaubnis fortzuziehen, um sich Reichtum und Ruhm zu erwerben. Er sagte, dass es ihn nicht länger mehr daheim freue, nachdem sein älterer Bruder ohne Zweifel irgendein großer Mann bei irgend einem Könige geworden sei. Die Eltern erlaubten ihm fortzuziehen und rüsteten ihn mit Reisekost und neuen Schuhen aus. Es ist nichts anderes über ihn zu berichten, als dass es ihm genau so erging, wie seinem ältesten Bruder.

Nun war noch der jüngste der Söhne übrig; obgleich er aber allein zu Hause war, hatte er es doch nicht besser bei seinen Eltern. Er bat sie darum ebenfalls, dass sie ihm die Erlaubnis geben möchten, fortzuziehen.

»Ich habe nicht im Sinn, mir Reichtum und Ruhm zu erwerben«, sagte er; »ich will nur versuchen, mir auf die eine oder andere ehrliche Weise meinen Lebensunterhalt zu verschaffen, damit ich euch nicht länger zur Last falle, wie es bisher der Fall war.« Der alte Mann und das alte Weib willigten ein und gaben ihm die nötige Reisekost und Schuhe, wenn auch nicht alles so reichlich und gut, wie es seine Brüder bekommen hatten. Der Sohn des Häuslers zog nun fort, und der Zufall wollte es, dass er denselben Weg einschlug, welchen auch seine Brüder genommen hatten. Er kam zum ersten Hügel; da sagte er:

»Hier haben meine Brüder ausgeruht; ich will dasselbe tun.«

Er setzte sich nieder und begann zu essen. Kommt da ein kleines Männchen zu ihm und bittet ihn um einen Bissen. Der Sohn des alten Mannes ist recht freundlich mit ihm und fordert es auf, sich an seiner Seite niederzulassen und mit ihm zu essen, soviel es Lust habe. Als sie genug gegessen hatten, sagte das Männchen:

»Rufe mich, wenn du einmal Hilfe brauchen solltest. Ich heiße Tritill.«

Hierauf trippelte das Männchen fort und verschwand. Der Häuslerssohn setzte seinen Weg fort, bis er zum zweiten Hügel kam. Da sagte er:

»Hier haben meine Brüder ausgeruht; ich will dasselbe tun.«

Er begann nun wieder zu essen. Während er damit beschäftigt ist, kommt ein winzig kleines Männchen zu ihm und bittet ihn um einen Bissen. Der Häuslerssohn ist recht freundlich mit ihm und fordert es auf, sich an seiner Seite niederzulassen und mit ihm zu essen, soviel es Lust habe. Als sie genug gegessen hatten, sagte das Männchen:

»Rufe mich, wenn du einmal einen kleinen Dienst von mir brauchen solltest; ich heiße Litill.«

Hierauf trippelte das Männchen fort und verschwand. Der Sohn des Häuslers setzte seinen Weg fort und kam zu dem offenen Platze im Walde, von dem früher die Rede war. Da sagte er:

»Hier haben meine Brüder ausgeruht; ich will dasselbe tun.«

Er setzte sich nieder und begann zu essen. Da kam eine schrecklich große Schar von Vögeln zu ihm herbeigeflogen. Sie gebärdeten sich, als ob sie sehr hungrig wären. Er zerkrümelte etwas Brot zwischen seinen Fingern und warf die Krümchen den Vögeln zu; diese pickten dieselben auf und aßen sie. Als sie alle Krümchen aufgegessen hatten, sagte einer der Vögel:

»Rufe uns, wenn du einmal einen kleinen Dienst von uns brauchen solltest, und nenne uns deine Vögel.«

Hierauf flogen sie davon und verschwanden. Der Sohn des Häuslers setzte abermals seinen Weg fort, bis er endlich zu der Höhle kam, wie dies auch bei seinen Brüdern der Fall gewesen. Er ging in dieselbe hinein, sah aber kein lebendes Wesen darin; wohl aber fand er die Leichen seiner Brüder, welche nahe beim Eingang von der Decke der Höhle niederhingen. Obschon ihn dieser Anblick Schlimmes befürchten ließ, beschloss er doch, auf die Heimkunst des Bewohners dieser Höhle zu warten. Es währte auch nicht lange, bis das früher erwähnte Riesenweib, welchem die Höhle gehörte, herbeikam. Der Häuslerssohn bat dasselbe, es möge ihm erlauben, hier zu bleiben. Das Weib gestattete ihm dies auch unter der Bedingung, dass er dasjenige tue, was sie ihm sagen werde. Er ging darauf ein und blieb nun über Nacht in der Höhle. Am folgenden Morgen befahl ihm die Riesin, den Mist aus der Höhle zu schaufeln. Wenn er aber bis zum Abend, wann sie heimkomme, mit seiner Arbeit nicht fertig sei, würde sie ihm, sagte sie, das Leben nehmen. Hierauf ging sie fort.

Der Sohn des Häuslers nahm nun die Schaufel, um den Boden zu reinigen; sowie er aber mit der Schaufel niedersticht, bleibt dieselbe im Boden stecken, so dass er sie nicht mehr von der Stelle bringen kann. Da merkt der Häuslersohn, dass es schlimm mit ihm stehe, und er ruft in seiner Angst aus: »Lieber Tritill, komm' her!«

In dem Augenblicke erschien auch Tritill und fragte ihn, was er wolle. Der Häuslerssohn erzählte ihm, in was für einer Lage er sich befinde. Da sagte Tritill: »Stich, du Spaten, und schaufle, du Schaufel!«

Da begann der Spaten zu stechen und die Schaufel zu schaufeln, und in kurzer Zeit war die Höhle vom Unrat gesäubert und vollkommen gereinigt. Hierauf ging Tritill wieder seiner Wege. Als nun abends die Riesin heimkam und sah, was geschehen war, sagte sie zu dem Häuslerssohn: »Das hast du nicht allein zustande gebracht, Mann, Mann! Ich will es jedoch dabei bewenden lassen.«

Nun schliefen sie die Nacht über; des Morgens aber trug ihm die Riesin auf, ihr Bettgewand zu lüften, alle Federn aus den Kissen herauszunehmen, sie in die Sonne zu legen und dann wieder einzufüllen. Wenn aber abends nur eine einzige Feder fehle, so würde sie ihm, sagte sie, das Leben nehmen. Hierauf ging sie fort. Der Häuslerssohn breitete das Bettgewand aus. Es waren drei Kissen im Bette der Riesin, und da es ganz windstill war und die Sonne schien, trennte er dieselben auf und legte die Federn in die Sonne. Da erhob sich plötzlich ein so starker Wirbelwind, dass alle Federn in die Luft empor wirbelten und auch nicht eine einzige zurückblieb. Das ließ den Häuslerssohn großes Unheil voraussehen. In dieser seiner Not ruft er: »Lieber Tritill, lieber Litill und alle meine Vögel, kommt her.«

Da kamen Tritill und Litill und die ganze Vogelschar und brachten alle Federn mit. Tritill und Litill halfen nun dem Häuslerssohne, die Federn wieder in die Kissen füllen und diese zuzunähen. Aus jedem Kissen aber nahmen sie je eine Feder, banden dieselben zusammen und sagten zu dem Häuslerssohne, er solle sie, wenn die Riesin sie vermisse, ihr in die Nase stecken. Hierauf verschwanden sie wieder alle: Tritill, Litill und die Vögel.

Als nun die Riesin des Abends heimkam, warf sie sich mit aller Gewalt in das Bett, so dass es in der ganzen Höhle krachte. Hierauf befühlte sie jedes Kissen und sagte zum Häuslerssohne, dass sie ihm jetzt das Leben nehme werde, denn es fehle in jedem Kissen eine Feder. Da zog er die Federn aus seiner Tasche hervor, steckte sie dem Weibe in die Nase und sagte, sie solle da ihre Federn nehmen. Die Riesin tat dies auch und sprach: »Das hast du nicht allein zustande gebracht, Mann, Mann! Ich will es jedoch dabei bewenden lassen.«

Es verging auch diese Nacht, und der Häuslerssohn verbrachte dieselbe in der Höhle bei der Riesin. Am Morgen sagte das Weib zu dem Häuslerssohn, dass er an diesem Tage einen ihrer Ochsen schlachten, das Eingeweide kochen, die Haut scheren, aus den Hörnern Löffel bereiten und mit allem bis abends fertig sein müsse. Sie besitze fünfzig Ochsen, sagte sie; einen von diesen wolle sie schlachten lassen; er müsse aber selbst erraten, welchen sie meine. »Wenn du bis zum Abend mit allem fertig wirst«, fuhr die Alte fort, »dann kannst du morgen wieder weiterziehen, wohin du willst und dir außerdem drei Dinge als Belohnung auswählen, welche du näm­lich von dem, was mir gehört, am Liebsten haben möchtest. Wirst du aber nicht mit allem fertig oder schlachtest du nicht den richtigen Ochsen, dann kostet es dir das Leben.« Hierauf ging die Riesin wieder fort wie gewöhnlich.

Der Häuslerssohn stand völlig ratlos da. Er rief: »Lieber Tritill, lieber Litill, kommt nun alle beide!«

Alsbald sah er auch beide herbeikommen und in ihrer Mitte einen ungeheuer großen Ochsen führen. Sie schlachteten denselben auch sogleich. Als dies geschehen war, machte sich der Häuslerssohn daran, die Eingeweide zu kochen, Tritill setzte sich nieder und schor die Haut, Litill aber begann, aus den Hörnern Löffel zu verfertigen. Die Arbeit ging hurtig vonstatten, und alles war zur rechten Zeit fertig. Der Häuslerssohn erzählte den beiden alten Männchen, was die Riesin ihm versprochen habe, wenn er mit seiner Arbeit bis zum Abend fertig würde. Da sagten dieselben, dass er dasjenige, was oberhalb ihres Bettes sei, dann das Kästchen, welches vor ihrem Bette stehe, endlich dasjenige, was sich ganz hinten an der Wand der Höhle befinde, auswählen solle. Der Häuslerssohn versprach ihnen, auch dies zu tun, und sie verließen denselben, nachdem er auf das Freundlichste von ihnen Abschied genommen hatte.

Als die Riesin abends nach Hause kam und sah, dass der Häuslerssohn alles fertig gebracht hatte, was ihm aufgetragen worden war, sagte sie: »Das hast du nicht allein zustande gebracht, Mann, Mann! Ich will es jedoch dabei bewenden lassen.«

Hierauf schliefen sie die Nacht hindurch. Am nächsten Morgen forderte die Riesin den Häuslerssohn auf, sich den Lohn zu wählen, wie sie ihn ihm versprochen habe; denn nun stehe es ihm frei, weiter zu ziehen, wohin er wolle.

»Dann wähle ich«, sagte der Häuslerssohn, »dasjenige, was oberhalb deines Bettes ist, dann das Kästchen, welches vor deinem Bette steht, endlich dasjenige, was sich ganz hinten an der Wand der Höhle befindet.« »Das hast du nicht allein gewählt, Mann, Mann!« sagte die Alte. »Ich will es jedoch dabei bewenden lassen.«

Hierauf gab sie ihm seinen Lohn. Dasjenige aber, was sich oberhalb des Bettes der Riesin befand, war die verschwundene Königstochter; das Kästchen vor dem Bette war eine ungeheuer große Kiste, voll von Geld und Kostbarkeiten; dasjenige aber, was ganz hinten an der Wand der Höhle stand, war ein großes Meerschiff mit Rahen und Segeln, welches die Eigenschaft hatte, dass es von selbst dahin segelte, wohin man wollte. Nachdem die Riesin dem Häuslerssohn seinen Lohn gegeben hatte, verabschiedete sie sich von ihm und sagte, dass er der glücklichste Mann werden werde. Hierauf ging sie fort wie gewöhnlich.

Der Häuslerssohn brachte die Kiste an Bord des Schiffes und bestieg dasselbe hierauf selbst mit der Königstochter. Sodann zog er die Segel auf und fuhr heim nach dem Reiche, in welchem der Vater der schönen Jungfrau König war. Er brachte dem König die verschwundene Tochter und erzählte ihm alle seine Erlebnisse. Der König verwunderte sich sehr über das Abenteuer des Häuslerssohnes und war, wie leicht begreiflich, erfreut, dass er seine Tochter wieder bekommen hatte. Er ließ für seine Tochter und ihren Erlöser ein großes Freudenmahl bereiten, welches mit der Hochzeit der Königstochter und des Häuslerssohnes endete. Der Häuslerssohn wurde zuerst des Königs Landesbeschützer und Minister; nach dem Tode seines Schwiegervaters erbte er dessen ganzes Königreich und regierte dasselbe lange und gut bis an sein Lebensende. Und hier ist die Geschichte aus.